Wie oft ich doch als Kind zurechtgewiesen wurde, nur wegen des Lichts, das ich in meiner Achtlosigkeit beim Verlassen des Hauses angelassen hatte; wenn man das Haus verlässt, schaltet man das Licht aus, überhaupt jedwedes Gerät, erst recht die Klimaanlage, benutzt man nur einen Raum des Hauses, ist auch nur in diesem Raum das Licht an usw. Solcherlei Gedanken kommen mir ganz unwillkürlich, als ich, wie es oft geschieht, vor mir ein Auto finde, von dem Fahrer fehlt jede Spur, dessenungeachtet läuft der Motor, überdies blinkt das Auto wie ein Weihnachtsbaum – nicht ungewöhnlich in Japan. Im Haus brennen alle Lichter, alle Klimaanlagen laufen, daneben sind die Fenster weit geöffnet – Umweltbewusstsein in Japan fällt auf vor allem durch Abwesenheit.
Da passte es ganz richtig, sich die Dokumentation „Morgen モルゲン明日“ im Rahmen unseres Filmzirkels anzusehen; die japanische Dokumentation beschäftigt sich mit dem Phänomen der sogenannten Energiewende in Deutschland. In einer verwinkelten Seitenstraße in Tokyo versteckt sich das Kino, die Hitze hat die Besucher nicht davon abgehalten zu kommen, der Raum war voll besetzt. Es wurde dunkel – und plötzlich sah ich vor mir die deutsche Bundeskanzlerin, wie sie nach dem Reaktorunfall in Fukushima ein Umlenken der deutschen Atompolitik in ihrer gewohnt nüchternen Art verkündete. Von Beginn an verbindet der Film Umweltbewusstein und Nachhaltigkeit mit Politik, d.h. hauptsächlich mit politischem Widerstand. Erst im Laufe des Films wird klar, dass die derzeitige Energiewende als Folge einer langen Geschichte politischen Ungehorsams interpretiert wird; der Argwohn gegenüber dem Staat habe gleichzeitig zu einem umweltpolitischen Bewusstsein geführt, daher sieht der Film die Entwicklung erneuerbarer Energien in Deutschland als Triumph der Demokratie.
Wo aber liegt nun der Unterschied zu Japan? Warum funktioniert in Japan noch nicht, was in Deutschland schon lange wenigstens auf den Weg gebracht wurde?
In der folgenden Podiumsdiskussion mit der Regisseurin zeigte sich, dass vor allem die Kraft der Zivilgesellschaft sich auf das Umweltbewusstsein überhaupt auswirkt, und dass überdies Protest in Japan nach anderen Regeln funktioniert. Aufrichtig gesagt, ich wusste selbst nicht, wie viele Menschen sich in Deutschland für erneuerbare Energien derart engagieren; der Film scheint sich zwar hauptsächlich an Japaner zu richten, kann aber auch Deutschen noch durchaus neue Perspektiven auf ihr Heimatland erschließen. Bei aller Nähe und gegenseitigen Zuneigung, fallen doch auch Unterschiede zwischen beiden Ländern auf, ein Thema, welches auch die Gespräche noch lange nach dem Film beherrscht hatte. Am frühen Abend kam ich dann nach Hause, die Klimaanlage kühlte das leere Haus ganz vergeblich; noch bevor ich mein Gepäck ablud, schaltete ich sie aus.